Gesundheitsversorgung

Institutionalisierung, staatliche Förderung oder ehrenamtliche Dienstleistung?

Im Politikfeld Gesundheitsversorgung wird der Aushandlungsprozess zwischen dem Thüringer Gesundheitsministerium (TMASGFF) und dem Verein Anonymer Krankenschein (AKST e.V.) untersucht und begleitet. Gemeinsames Ziel der Aushandlung ist eine Verstetigung einer anonymen Krankenversorgung für Menschen ohne Krankenversicherung. Es besteht derzeit eine Vollfinanzierung des Vereins durch das Ministerium in Form eines Modellprojekts. Der Verein garantiert im Gegenzug die Ermöglichung eines niedrigschwelligen Zugangs zum Gesundheitssystem für Menschen ohne Papiere und ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz.

Der Zugang zu Daseinsvorsorge für Menschen, die in einem Land wohnen, unabhängig von ihrem rechtlichen Status zu ermöglichen, ist schon lange eine Forderung migrantischer Organisationen. Institutionen der Daseinsvorsorge sind mit ihrem Ziel Teilhabe zu ermöglichen, vor allem Menschen mit Staatsbürgerschaft uneingeschränkt zugänglich. In einem Einwanderungsland wie Deutschland jedoch führt dies zu einer Krise der repräsentativen Demokratie und somit zur Delegitimierung wohlfahrtsstaatlichen Handelns.

Das gemeinsame Modellprojekt Anonymer Krankenschein Thüringen umgeht in der anonymen Krankenversorgung Illegalisierter eine Bundesgesetzgebung, durch welche Sozialämter, eigentlich zuständig für die Versorgung Illegalisierter, einer Berichtspflicht über den illegalen Aufenthalt der Ausländerbehörde gegenüber unterliegen und somit – de facto – keine medizinische Versorgung vor dem Notfall für Illegalisierte bestand. Im Laufe des Projektes jedoch stellte sich heraus, dass die exkludierte Personengruppe größer ist: Irreguläre (EU )Arbeiter*innen, Deutsche, die aus dem Versicherungssystem ausgeschieden sind (durch Schulden, Insolvenz, Wechsel zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung) und Illegalisierte Personen. In der Aushandlung um die Verstetigung des anonymen Krankenscheins steht die Forderung des Anonymen Krankenschein Thüringen e.V. (AKST e.V.) nach einer gleichberechtigten medizinischen Versorgung für alle Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und formuliert dadurch auch Teilhabeansprüche für eine Personengruppe, die keine öffentliche Stimme hat. Das gemeinsame Modellprojekt Anonymer Krankenschein Thüringen läuft Ende 2021 aus, wodurch sich die Frage der Verstetigung stellt.

Projekt AKST chronologisch

Der anonyme Krankenschein e.V. besteht seit Ende 2015 als Ausgliederung aus dem MediNetz Jena e.V. Er wurde anlässlich der Anfrage des Ministeriums (TMASGFF) mit der Aufgabe gegründet, eine gesundheitliche Versorgung von Illegalisierten Menschen in Thüringen zu gewährleisten. Seit seiner Gründung wird er durch Mittel des Ministeriums in Form einer Zuwendung vollfinanziert. Der AKST e.V. kooperiert mit niedergelassenen Ärzten (sog. Vertrauensärzten), Krankenhäusern und Apotheken, um die gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten.

Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF), genauer gesagt das Referat 43 „Krankenhauswesen, Infektions- und Katastrophenschutz“ ist seit der Verankerung eines anonymen Krankenscheins im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag 2014 mit der verwalterischen und inhaltlichen Projektbegleitung betraut. Die Ausarbeitung des Konzeptes erfolgte unter Einwirkung des Ministeriums.

Akteur*innenkonstellation AKST

Handlungsleitfaden erschienen:


Praxispartner

Logo AKST e.V. Logo Thüringer Ministerium für Arbeit

Foto: © Laura Calbet i Elias